„Wahrlich, täglich erneuere dich.“
Konfuzius
Hallo ihr Lieben,
Hat die Sonne bis vor Kurzem noch die unverbindliche Begegnung gesucht, so geht es nun um die Verbindlichkeit. Im Skorpion sagt die Sonne: „Binde dich!“
Alles was den eigenen Ideen und Vorstellungen entspricht, wird hier schnell zur fixen Idee. Andererseits, was nicht mehr passt, muss kompromisslos geopfert werden. Nur so kann Erneuerung statt finden, kann der Phönix neu aufsteigen nachdem er alt geworden in den Flammen des reinigenden Fegefeuers zu Asche verbrannte.
Sonne im Skorpion – hier finden wir den Alchemisten, der aus Blei Gold macht. Sein Gegenstück ist der schwarze Magier, Frankenstein, der sein Geschöpf nach seinen Ideen und Fixierungen schaffen will. Hier finden wir die schwarze aber auch die weiße Magie, das umgedrehte auf niedere Beweggründe verweisende Pentagramm des Teufels und den aufrecht stehenden Fünfstern des Menschen, der nach Höherem strebt.
Skorpion – das ist die Bereitschaft, in die eigenen Tiefen hinab zu steigen um...zu sterben. Warum sterben? Liegen in der Tiefe nicht unsere größten Reichtümer? Ja schon, aber um sie heben zu können, um sie überhaupt erst einmal sehen und wahrnehmen zu können, muss erst das alte Bild das wir (im wahrsten Sinne des Wortes) vor Augen haben und das uns den Blick auf Neues verstellt, weichen.
Das Zeichen Skorpion wird auch das Krisenzeichen genannt. Keiner gibt so gerne freiwillig seine einmal gefassten Vorstellungen auf, aber je mehr wir daran festhalten, umso größer ist der Schmerz – denn die Wandlung wird vollzogen, mit uns oder gegen uns...
So ist der Satz, den die Sonne am Anfang dieses Beitrages gesagt hat auch nur halb. Vollständig müsste er lauten:
„Binde dich – immer wieder neu. Hinterfrage alles und was sich überlebt hat - lasse los!“
Der Skorpion geprägte Mensch weiß: „Sich selbst besiegen ist der schönste Sieg!“ Das bedeutet auch, dass man in diesem Zeichen geneigt ist, über sich und die eigenen Grenzen hinaus zu gehen – auch wenn es einem selbst weh tut. Für den Skorpion ist nicht das eigene Selbst von Bedeutung, sondern es ist die Sippe, die Art. Arterhaltung, der Fortbestand der Gruppe ist die Triebfeder. Während das - im Tierkreis dem Skorpion gegenüber stehende - Zeichen Stier Zäune baut, um sich selbst abzusichern und seine Ressourcen für den eigenen leiblichen Genuss einsetzt, geht der Skorpion eindeutig über diese Begrenzungen hinaus. Nicht das eigene Haben ist ihm wichtig, sondern der Bestand der ganzen Gemeinschaft – auch wenn das heißt, dass er sich als Einzelner dafür opfern muss. Stier – Skorpion, zwei Seiten einer Achse bei der es um Sicherheit geht; ist es auf der einen Seite die Sicherung des Individuums, so ist es auf der anderen Seite die Sicherung des Kollektivs.
Menschlichkeit – ein Wort was im Vokabular des Skorpions, so wie wir es heute definieren, keinen Platz hat. Seine Haltung dem Leben gegenüber war in den frühen Kulturen, die noch einen harten Überlebenskampf führen mussten, entscheidend für Wohl und Wehe der ganzen Gruppe. Alte und Kranke, die nicht mehr mit wandern konnten, wurden zurück gelassen. Neugeborene, die offenbar zu schwach waren für das Leben, wurden ausgesetzt. Mitglieder der Gruppe, die sich nicht an die Regeln hielten, wurden verstoßen und bei feindlichen Übergriffen galt die Blutrache. Der Einzelne hatte sich dem kompromisslos zu unterwerfen und selbst danach zu handeln.
Für uns heute lebenden Menschen ein düsteres Szenario.
Tatsächlich aber sind es die archaischen Regeln der Natur. So funktioniert jede Tiergemeinschaft. Auch in der Pflanzenwelt gilt Gleiches. Selbst das Mineralreich verhält sich so und lässt z.B. Berge erodieren, wenn sie den Elementen nicht mehr Stand halten können – die Landschaft erhält ein neues, den Umständen besser angepasstes, Gesicht.
Dieser Stirb und Werde Prozess dem wir im Skorpion begegnen, sorgt als notwendiges Regularium dafür, dass das Leben in seiner Gesamtheit Bestand hat.
Dieses über Grenzen hinaus gehen, zeigt sich auch in der Natur und der damit verbundenen Zeitqualität. Das äußere, überirdische Leben ist in Auflösung und Niedergang begriffen. Die Außenwelt beginnt zunehmend unwirtlich zu werden, das Programm steht auf Rückzug zu den Wurzeln. Was für die Pflanze wörtlich gilt und im Tierreich durch das Beziehen von Höhlen und Unterschlüpfen umgesetzt wird, empfindet der Mensch als Aufforderung sich seinen Sippenwurzeln zuzuwenden und dabei auch der dazu gehörenden Verstorbenen zu gedenken. Wir überschreiten die Grenze von unserem diesseitigen Reich in das jenseitige, indem wir sie mit Worten, Gedanken und Handlungen für eine gewisse Zeit „herüber holen“ oder auch dadurch, dass wir ihnen in verstärktem Maße zugewandt sind und in Form von Friedhofbesuchen in ihr Reich eintauchen.
Gleichzeitig sind die Grablichter, die den Toten einerseits das Gedenken, andererseits aus alter Überlieferung den Heimweg sichern sollen Indiz dafür, dass das Zeichen Skorpion auch um die notwendige Trennung von Tod und Leben weiß.
Hier wird es ganz offensichtlich, was im Skorpion gemeint ist:
Verhaftet sein heißt, dem Tod anheim zu fallen. Loslassen ebnet den Weg ins Leben.
Ich wünsche euch allen tiefe Lebenserfahrungen
bluemoon