Ich habe mich endlich dazu durchgerungen, Tilmann zu besuchen. Es war auch höchste Zeit, denn seine neue Ausstellung (endlich in einer namhaften Galerie) soll ein großer Erfolg sein (Venus im 2. Haus) und würde in zwei Tagen enden, ohne dass ich seine Bilder gesehen habe.
Als ich die Galerie betrete, bin ich augenblicklich vom Zauber der Atmosphäre gefangen genommen und steuerte magisch angezogen auf ein Bild, in einem etwas erhöhtem Raum, am Ende der Ausstellung zu.
Ein kleiner roter Punkt neben dem Bild verrät es mir, und ich murmele es leise vor mich hin: „Es ist verkauft“. Ich freue mich. Eine Zeitlang wird Tilmann jetzt wieder „Luft“ haben, bevor sein ewig währender Existenzkampf von neuem beginnt. Denn selbst er, mit seinem schwer nachvollziehbaren Bedürfnis nach Askese (Steinbockbetonung), braucht ab und zu etwas zu essen (wenn er uns besucht, kann es nicht üppig und lecker genug sein—Mond im Stier) und Farben und neue Leinwände. Aber vor allem Anerkennung. (das würde er jetzt wahrscheinlich in Abrede stellen)
„Martha hat es gekauft.“, sagt Tillmann, der plötzlich hinter mir steht, während ich tief versunken im Blau und Weiß und Grün des magischen Bildes fest hänge.
„Marta?“ frage ich ihn etwas ungläubig, als mir mein Bewusstsein langsam wieder erlaubt, reale Fakten und wirkliche Namen, die zu wirklichen Menschen gehören, einzuordnen. „Ja“ antwortet er trocken.
Mein Herz macht einen Hüpfer. Meine Freundin hat sein Bild gekauft. Hat dieses Bild gekauft. Vor vier Jahren haben sie sich bei mir kennen gelernt.
Martha hat mich vor einer Woche angerufen. Sie wolle mit ihrem Geld etwas Sinnvolles tun. Sie habe genügend und frage sich schon seit langem, warum es auf der Welt so ungerecht verteilt sei. (Waage an der Spitze des 2. Hauses und Neptun rückläufig im 2. Haus). Sie liebe Kunst und bewundere das Leben und die Schöpferkraft von Künstlern und sei immer ein bisschen traurig gewesen, so wenig davon in sich selbst zu finden.
Ich bin gerührt. Sie hat einen tollen Weg gefunden, ihrer Sehnsucht nach Schönheit und Kunst Ausdruck zu verleihen. „Brotlosen“ Künstlern Anerkennung zu schenken, indem sie ihre Bilder und Werke kauft, erfüllt sie mit großer Freude und Genugtuung und gibt ihr das Gefühl, gerecht zu teilen.
Ich stehe noch eine Weile vor dem Bild und denke: Sie hat einen treffsicheren Instinkt. Dieses Bild ist auch in meinen Augen „Wertvoll“.
Liebe Grüße
sonnenwende