Venus träumt – ein Beziehungsmärchen
Venus träumt:
Sie sitzt auf einer Bank in einem wunderschönen Park direkt am Meer. Es ist der Park des Schlosses ihrer Väter, wo sie wohlbehütet aufgewachsen nun in dem sehnsuchtsvollen Wunsch lebt, ihr Prinz möge zu ihr kommen...Dort drüben – ist er dort nicht und winkt herüber...? Zwischen ihrer Parkbank und dem Ort dort drüben aber liegt Neptuns Reich – das tiefe tosende Meer und es scheint nicht real zu sein, diesen Graben aus schäumendem Wasser zu überwinden.
Da, völlig unerwartet erscheint Uranus in Gestalt eines großen Kranichs, dessen Flügel hoch oben in den Lüften ein vernehmliches Rauschen erzeugen. Uranus, der Kranich, sinkt herab und lässt Venus auf seinen Rücken steigen. Sofort erhebt er sich wieder und fliegt mit ihr davon – hoch in den unendlich weiten Himmel. Venus hat sich noch nie so wunderbar frei gefühlt, einfach herrlich – wie eine, mit dem Flügelschlag des Kranichs, auf und ab tanzende Zigeunerin kommt sie sich vor...
Der Kranich Uranus setzt sie alsbald ab und sie findet sich aufs Neue in einem Garten wieder, der an feinster Ästhetik, Schönheit der Farben und Formen und sinnlichem Rosenduft nicht zu überbieten ist. Alles ist so harmonisch um sie herum...und da kommt ER auf sie zu...jaa, so hat sie ihn sich vorgestellt - nun ist er ihr ganz nah. Ein Liebeslied erklingt und sie tanzen bei Kerzenlicht wie gebannt umeinander herum. Das geht so eine ganze Weile und sie werden nicht müde füreinander und können die Augen kaum voneinander lassen.
Der neugierige Merkur entdeckt sie schließlich und lässt es die Spatzen von den Dächern pfeifen, bis am Ende alle von dieser wunderbaren Liebe erfahren haben und das Glück der beiden mit eigenen Augen sehen wollen. So zeigen sie sich bereitwillig und offenbar gibt es tatsächlich nichts Wichtigeres als ihre Zweisamkeit...
Bald darauf scheint die Sonne in strahlendem Gold und krönt den schönsten Tag in Venus Leben – ihre Hochzeit mit IHM...! Blumenkinder bestreuen ihren Weg, hinter ihnen noch Klänge von Orgelmusik und über ihnen den Weltenraum füllendes Glockengeläut. Sie beide sind der Mittelpunkt und die Hochzeitsgäste jubeln...!
Jupiter ist auch geladen. Er überzeugt Venus davon, dass es ein unbedingtes Ideal ist, ihrer beider Beziehung einen höheren Sinn, eine Bestimmung zu geben...
Schließlich: In Venus regt sich etwas...Mond ist zu Besuch und lässt sie wissen, dass ihr beider Glück alsbald Früchte hervorbringen wird. Das Äußere von Venus verändert sich und ihre Weiblichkeit gipfelt in der höchsten Schönheit, die es für eine Frau geben kann. Nach der Zeit der Reife schenkt sie ihrem Gatten das gemeinsame Kind.
Nun sind sie eine Familie. Damit kommen auf einmal Pflichten in ihr Leben und die anfängliche Verliebtheit weicht der liebenden Verantwortung. Venus ist sehr um einen harmonischen Alltag bemüht, wobei Merkur – der sie stets gerne begleitet um ja nichts zu verpassen - ihr mit analytischem Geist dienstbar zu einer tauglichen Kosten-Nutzen-Rechnung verhilft.
Mit der Zeit sind die Dinge nicht mehr so einfach. Venus spürt mehr und mehr die Fesseln dieser Partnerschaft, die durch die Vorstellungen des jeweils anderen wie das Gegenüber sein sollte, auf eine Krise zusteuert. Pluto legt seinen Umhang der Bindung um die beiden und sie scheinen in Unausweichlichkeit aneinander gekettet zu sein.
Für Venus beginnt eine Zeit des Hin- und Hergerissen seins: Da ist einmal die moralische Verpflichtung und auch immer noch vorhandene körperliche Anziehung gegenüber dem einstmals so geliebten Mann, die dieser auch eifersüchtig und ohne wenn und aber einfordert. Auf der anderen Seite vergöttert er sie, lässt es ihr an nichts fehlen und bewacht sie dabei wie seinen größten Schatz. Es nimmt Venus buchstäblich die Luft zum Atmen.
Doch bevor es soweit kommt, geht Venus aus purem Überlebenswillen in die Konfrontation – und da erkennt sie ihn plötzlich: Mars! Ihr Gatte steht ihr nunmehr als Gegenspieler gegenüber. Da ist wieder ein Graben. Diesmal ist kein Wasser darin, sondern schroffer Fels begrenzt einen bodenlosen Abgrund. Er winkt ihr auch nicht sehnsüchtig zu, wie am Anfang, seine Fäuste sind zum Angriff geballt. Da steht sie nun, mit verschränkten Armen und bietet ihm keinen Zugang mehr – aus und vorbei...!...
...Venus erwacht. Sie findet sich sitzend vor – nein, es ist keine Bank in einem Schlosspark – ein harter Steinquader bietet ihr seine Fläche, um sie herum Ruinen von Vergangenem. Sie krämt sich, ob dieses Traumes der so wunderbar begann und so schrecklich endete, nun sitzt sie hier allein und mit leeren Händen...!
Plötzlich fühlt sie mehr als sie es sieht: Da ist noch jemand, eine Gestalt steht schräg hinter ihr. Venus dreht sich um. Da steht er, groß und dunkel, alt und weiße, hager, aber mit mildem Blick – Saturn. Er sagt kein Wort. Venus kann seine Botschaft aber deutlich in sich spüren:
„Du hast viel gesehen und dein Herz ist verletzt. Aber du bist immer noch Venus, die Göttin der Liebe und der Harmonie. Dein Selbstwert braucht den Eintritt für deine Weiblichkeit.
Geh und übernimm Verantwortung für dein Glück – es wartet auf dich...!"
So geht Venus daran, sich selbst zu finden und da sie nicht gestorben ist, haben auch wir noch die Chance unsere eigene, ganz individuelle Wertigkeit zu definieren und zu leben...!
Viele Grüße
bluemoon