Nachdem wir im letzten Teil dieser Serie den Meister der Stundenastrologie, William Lilly, betrachtet haben, gehen wir nun zweihundert Jahre weiter. Die lange und kontinuierliche astrologische Praxis in Großbritannien war in der Zwischenzeit ein Garant für das Überleben und die Neubelebung der Astrologie in Europa und Nordamerika.
Auch nach Lilly war die Astrologie auf den britischen Inseln eine geachtete Disziplin. Astrologischer Einfluss hier lässt sich vor allem damit erklären, dass die Astrologie an die Monarchie gebunden und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit groß war.
Von den britischen Inseln wurde die Astrologie um 1900 in Deutschland mit großem Erfolg neu eingeführt. Vereine, Verbände, Zeitschriften und Kongresse belegen ein reges Interesse und vielfältigen Austausch. Die Gründung der Deutschen Astrologischen Gesellschaft und die Erstausgabe der Astrologischen Rundschau fallen in die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.
In der Weimarer Republik bis 1933 erlebte die Beschäftigung mit der Astrologie in Deutschland eine ausgesprochene Blütezeit. Bemühungen, einer Verflachung und Popularisierung entgegenzutreten, nahmen zu. Die Ansprüche an die eigene Arbeit waren hoch. Wir befinden uns vor Beginn des Zweiten Weltkriegs aber noch in einer Phase, in der wir nicht von Psychologischer Astrologie sprechen können, sondern von der sogenannten Revidierten Astrologie.
Ein gutes Beispiel für diese Blüte der astrologischen Tätigkeit sind Leben und Werk Herbert Freiherr von Klöcklers (1896-1950). Von Klöckler selbst wurde die Astrologie schon in die Wiege gelegt. Seine Mutter war die Astrologin Irene von Veldegg, die ihren Sohn nach der Trennung von ihrem Mann weitestgehend allein großzog. Freiherr von Klöckler war später als Arzt tätig und ein ebenso überzeugter Naturwissenschaftler wie Astrologe.
In seiner astrologischen Arbeit wandte er sich gegen jegliche Form des Determinismus. Möglichkeiten und Grenzen der Astrologie wurden von Freiherr von Klöckler klar formuliert: „Astrologie ist die auf Erfahrung begründete Lehre von den Beziehungen zwischen den Funktionen der Himmelskörper und gewissen Seiten und Teilen der physikalisch-chemischen, biologischen und psychologischen Prozesse auf der Erdoberfläche.“ Der Charakter des Menschen sei nichts Statisches und Festgelegtes, sondern in ständiger Entwicklung und Veränderung begriffen. Dementsprechend war von Klöckler sehr an der Psychologie interessiert und ein Verfechter der astronomischen Begründung der Astrologie. Er formulierte in seinem einflussreichen Werk „Astrologie als Erfahrungswissenschaft“ und dem dreibändigen Standardwerk „Kursus der Astrologie“ die Grundlagen seiner astrologischen Erkenntnisse.
Wenn wir auf von Klöcklers Horoskop blicken, sehen wir die Möglichkeit zu strukturiertem Denken und klarer Formulierung der Gedanken. In seiner Opposition von Merkur und Saturn liegt eine deutliche Stärke: Die Bereitschaft zu harter Arbeit, ein ernsthaftes und forschendes Wesen und eine gut entwickelte Konzentrationsfähigkeit. Die Worte von Klöcklers haben Gewicht und sie haben die Zeit überdauert. Seine Grundaussagen zum Determinismus gelten für die Psychologische Astrologie auch heute noch. Seine Bücher wurden damals zu astrologischen Bestsellern, weil er eine große Begabung hatte, gut und verständlich zu schreiben. Unter Umständen wirkt sich auch die weite Konjunktion von Saturn und Uranus aus, die die Merkur-Konstellation uranisch einfärbt. Denn in der Tat ist es erstaunlich, wie sehr die Aussagen von Klöcklers einige Erkenntnisse der Humanistischen Psychologie vorwegnahmen.