Im ersten Teil dieser Serie haben wir mit Johannes Kepler einen Astrologen betrachtet, der für das Zeitalter der europäischen Aufklärung steht, in dem man die Astrologie brauchte, um sich mit seinen neuen Erkenntnissen abzugrenzen und diese als einzige Wahrheit zu verkünden.
Festzuhalten bleibt für diese Zeit die Trennung von akzeptierter kausaler Sternenkunde, der Astronomie, und der deutenden Astrologie, die abgelehnt wurde. Die Astrologie verschwand fortan aus der offiziellen akademischen Welt, büßte damit auch ihre öffentliche Reputation ein und wechselte über in andere Kulturbereiche wie die Kunst oder popularisierte sich.
Für den Fortbestand astrologischer Systeme innerhalb des neuen Weltbildes sorgten Astrologen, die sich um das heliozentrische Weltbild nicht weiter kümmerten und dem von Kepler vorgezeichneten Weg eines neuen mystizierenden Platonismus folgten. Doch die Astrologie war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in Europa in einer Krise, wurde 1756 von Kaiserin Maria Theresia erneut verboten und ab 1710 ihres wesentlichen Handwerkszeugs, der Ephemeriden, beraubt.
Nur England nahm eine Sonderrolle ein. Ein Berufsstand von Astrologen konnte dort außerhalb von Universitäten erfolgreich tätig sein und praktisch deutende Astrologie betreiben.
Der englische Astrologe William Lilly lebte von 1602 bis 1681. Er profitierte von der Hochkonjunktur der Astrologie nach 1641, als die staatliche Zensur abgeschafft wurde und ein riesiger Markt für astrologische Literatur entstand.
William Lilly gilt bis heute als der Experte für die Stundenastrologie schlechthin. Gebildet, aber verarmt, stammte er aus einfachen Verhältnissen. Er heiratete die reiche Witwe seines Dienstherrn, und durch geschickte Investitionen gelang ihm der gesellschaftliche Aufstieg sowie ein Leben in finanziellem Wohlstand.
Ab seinem dreißigsten Lebensjahr widmete Lilly sich intensiv der Astrologie. Er war Herausgeber astrologischer Almanache (Jahrbücher), die sich höchster Popularität erfreuten und von seinen Nachfolgern z. T. unter Pseudonymen wie Raphael oder Zadkiel bis ins 20. Jh. weitergeführt wurden. Lilly sprach Latein und war damit in der Lage, alle möglichen astrologischen Abhandlungen zu lesen. Er machte das 17. Jahrhundert zum goldenen Jahrhundert der Astrologie in England. Sein Hauptwerk, die „Christian Astrology“ in drei Bänden, erschien 1647 und spiegelt insbesondere seine Meisterschaft auf dem Gebiet der Stundenastrologie und Prognosen wider. Angeblich sagte er sogar den Großen Brand von London 1666 vierzehn Jahre vorher voraus. Sein Werk, Christliche Astrologie, Buch 1 und Buch 2 ist bei Astronova erhältlich. Den Titel gab er seinem Werk, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Wir blicken auf Lillys Horoskop. Hier sehen wir ein voll besetztes zweites Haus mit der Sonne und Geburtsherrscher Venus in enger Konjunktion, dazu Merkur und Uranus in weiter Konjunktion. Da hat einer im Leben mit den Finanzen Erfolg gehabt. Er zieht das Geld an über eine Heirat und erweitert seine Mittel überraschend durch geschickte Spekulation (Merkur/Uranus).
Sein Denken war für die damalige Zeit innovativ. Er hat damit ein Fundament geschaffen, das noch heute gilt. Auch so könnte man seine Merkur/Uranus-Konjunktion im zweiten Haus im Stier beschreiben.
Daneben stehen herausragende Fähigkeiten in der Beratung seiner Klienten. Der Mars steht direkt am DC. Klar und deutlich war Lilly in der Stundenastrologie. Seine Klienten suchten ihn auf, um eindeutige Antworten auf konkrete Fragen zu bekommen. Er hatte darin eine hohe Kunst und Treffsicherheit entwickelt. Selbst König Karl I. suchte ihn auf. Der Mars in der Jungfrau im 7. Haus ist in der Lage, akribisch genau im Dienste des Gegenübers zu arbeiten. Bei der Stundenastrologie ist diese Fähigkeit eine gute Voraussetzung, um erfolgreich für den Klienten zu deuten. Im Zusammenspiel mit den Kräften des Trigons von Mars und Uranus ist Lilly dabei unabhängiger Freigeist gewesen, der zu ungewöhnlichen Erkenntnissen gelangte und für seine Zeit ein Pionier auf seinem Gebiet war.