von Anita Conrad, Diplom Biologin
Brennnesseln kennt jedes Kind. Wieso fällt man als Kind oft ausgerechnet in eine Brennnessel? Wie viele Tränen wurden wohl schon geweint bei der ersten Bekanntschaft mit dieser Pflanze? Jeder kennt den brennenden Schmerz, den die kleinen unscheinbaren Haare verursachen, mit denen die Brennnessel übersät ist. Kein Wunder, dass man die Brennnessel mit dem Teufel in Verbindung brachte: „Das Kraut kenn ich“, sagte der Teufel und setzte sich genüsslich in einen Brennnesselbusch gleich hinterm Haus ‒ so kann man es in einem Kräuterbuch aus dem 16. Jahrhundert nachlesen. Doch nicht nur mit dem Teufel, auch mit dem Kriegsgott und dem Planeten Mars wird diese Pflanze von alters her in Verbindung gebracht. Mars-Pflanzen zeigen sich vital, zäh und widerstandsfähig. Sie haben in der Regel spitze Stacheln und scharf geschnittene Blattränder, besitzen wenig Schleim und Wasser, dafür aber oftmals ätzende, beißende Säfte. Auch ordnet man sowohl dem Planeten als auch dem Kriegsgott das Metall Eisen und die Farbe Rot zu. Die Brennnessel trägt also sehr deutlich die Signatur des Mars.
Wirkung
Die Brennnessel kann dem Körper einen starken anregenden und erwärmenden Reiz geben. Wer schon mit ihr in Berührung gekommen ist, weiß um die Wärme, die sie verursachen kann! Sie enthält, so sagen die Alten, besonders viel vom Element Feuer. Ihre Qualität ist warm und trocken im dritten Grad. Auch Eisen, das Metall des Mars, findet man in der Brennnessel in hoher Konzentration. Sie regt die eisenproduzierenden Organe an und führt dem Körper Eisen zu. Im Frühjahr ist der Eisengehalt der Brennnessel besonders hoch. Sie wirkt als eine der besten Blutreinigungspflanzen und ist vor allem im Frühjahr für eine Blutreinigungskur besonders wertvoll. Hier findet man also auch die Farbe des Planeten Mars wieder, das Blutrot (1).
Vorkommen
Obwohl die Brennnessel sich so erfolgreich zur Wehr setzt, drängt sie sich dem Menschen förmlich auf. Überall in unserer Nähe finden wir sie ‒ direkt am Haus, auf Bauernhöfen, aber auch in der Stadt, beispielsweise auf Schutthalden. Sogar bei Ruinen zeigt die Brennnessel, dass hier Menschen lebten. Gerade dort, wo der Mensch Unrat, Abfälle und Ausscheidungen hinterließ, wo Mist, Jauche und Urin den Boden tränkten, an Güllegruben oder Misthaufen taucht die Brennnessel besonders gerne auf. Es scheint fast so, als wolle sie verstecken, was der Mensch an Unansehnlichem hinterlassen hat. Sie kann heilend auf den Boden wirken, bringt das Bodengefüge wieder ins Gleichgewicht, reichert den Boden mit Mineralien an, wandelt Stickstoff um und sorgt für Humusbildung.
Verwendung
Vielleicht hätten wir dieses nützliche Kraut längst ausgerottet, wäre es nicht so wehrhaft und kraftvoll. Und die Brennnessel kann noch viel mehr: Früher stellte man Nesselstoff aus ihr her und verwendete sie, um Stoffe zu färben (grün-gelb). Sie ist nicht nur eine unserer wichtigsten Raupenfutterpflanzen ‒ ohne sie gäbe es weder Tagpfauenauge noch den kleinen Fuchs, sie ist auch als Jauche ein wunderbarer Dünger. Als Spritzbrühe vertreibt sie hervorragend Blattläuse. In ihrer Wirkung als hervorragende Heilpflanze dient sie nicht nur wie bereits erwähnt zur Blutreinigung und -bildung, sondern auch dazu, um Blase, Niere, Bauchspeicheldrüse, Magen und Darm anzuregen. Zudem gibt sie dem Körper wichtige Mineralien und Vitamine und ist gut für das Haarwachstum. Die Samen der Pflanzen kräftigen und vitalisieren den Organismus, nicht nur von Menschen, sondern auch von Pferden und Hühnern. Probieren Sie es aus, wenn Sie Hühner halten. Geben Sie die Samen ins Futter, Sie werden staunen, in welchem Maße die Legetätigkeit angeregt wird!
Rezept
Zu guter Letzt ist die Brennnessel auch ein hervorragendes Wildgemüse, nicht nur als Wildspinat oder Brennnesselsuppe. Es gibt viele wirklich leckere Rezepte. Eines meiner liebsten stammt von Eva Aschenbrenner (2): Brennnesselspitzen in Butter in der Pfanne rösten, bis sie knusprig sind, aber Vorsicht, nicht verbrennen. Gegen Ende Salz zugeben und dann einfach zu Nudeln oder Kartoffelbrei essen.
Übrigens: Wenn man die Brennnessel von unten anfasst, nesselt sie nicht. Und wenn man ihr erklärt, wofür man sie braucht, auch nicht ...
Quellen
(1) Susanne Fischer-Rizzi: Medizin der Erde
(2) Eva Aschenbrenner: Der Wildkräutergang mit Eva Aschenbrenner durchs Jahr